„Macht Euch frei!“
So einfach sich diese Aufforderung von Bundestrainer Meister Alfred Heymann (8. Dan) auch angehört hat, so schwierig war sie doch umzusetzen, vor allem an diesem Wochenende vom 28.- 30. Oktober 2022 bei uns in Mörfelden-Walldorf. Denn dieses Wochenende wurde von vielen Emotionen begleitet. Zum einen feierten wir an diesem Samstag, dem 29. Oktober, das 50-jährige Bestehen unserer Aikido-Abteilung der TGS Walldorf, welche von Meister Alfred Heymann gegründet wurde, (das erste Training war am 27. September 1972), zum anderen hielt Alfred seinen letzten offiziellen Bundeslehrgang als Bundestrainer, hier an seiner früheren Wirkungsstätte in Walldorf.
Die Aikido-Abteilungen der SKV Mörfelden und der TGS Walldorf haben zu einem großen Jubiläums-Bundeslehrgang in die schöne Stadthalle Walldorf eingeladen. Im Jahr 2022 sollte er – wie auch schon traditionell vor Corona – wieder an drei Tagen stattfinden. Mit vier Einheiten zu je zwei Stunden und 15 Minuten konnten mit insgesamt neun Stunden Aikido zahlreiche TE-A (Trainingseinheiten A) für den Lehrgangspass gesammelt werden. Wer Alfred kennt, weiß wie gerne er diese Zeitangaben korrekt einhält.
Seit mehreren Jahren schon richten Mörfelden und Walldorf gemeinsam den Herbstlehrgang aus und wechseln sich nur mit der Lehrgangsleitung ab. Für einen Verein allein wird es immer schwieriger, genügend Helfer und Freiwillige für die zahlreichen Aufgabe, wie die Planung, den Auf- und Abbau, das leibliche Wohl oder die Reinigung zu stellen. Auch unterstreicht die gemeinsame Ausrichtung der Lehrgänge die Freundschaft beider Vereine der Doppelstadt.
Das Freitagstraining startete pünktlich um 18.30 Uhr mit „Standard“-Techniken, die auch die vielen hochgraduierten Aikidoka nach Ansicht Alfreds stets verbessern können. Der Bundestrainer schafft es, selbst die anscheinend einfachsten Techniken immer weiter zu verfeinern und ihnen neue kleine Details zu entlocken. Wobei er stets betont, dass er nur „sein“ Aikido vorführen kann, denn jeder Aikidoka habe seine eigene Körpersprache und andere Voraussetzungen, die in die eigene Technik einfließen könnten und sogar müssten, damit die Technik bestwirksam ausgeführt werden könne. Alfred legt stets Wert auf den richtigen Abstand, die richtigen Winkel sowie das Freimachen der Linie, wo es erforderlich ist.
Am Samstag wurde zum ersten Training um 9.45 Uhr das Holzschwert (Bokken) ausgepackt. Auch hier war Alfred die Wahrung des Abstandes wichtig. Die Vorübungen zum richtigen Ausweichen und um das richtige Timing zu finden, führten schließlich zu einer kleinen Kata, die zunächst ohne und dann mit Partner ausgeführt wurde. Mit zahlreichen Techniken wurden Schwert-Angriffe aus „Shomen“ und „Yokomen“ abgewehrt und zum Abschluss sogar mit Hilfe des Holzstabes (Jo) das Training Waffe gegen Waffe geübt.
Wegen des 50-Jahre-Jubiläums der Aikido-Abteilung waren die Emotionen schon hoch, aber es kam noch hinzu, dass Alfred zum letzten Mal einen Bundeslehrgang als offizieller Bundestrainer leitete. Alfred übt das Amt des Bundestrainer seit 20 Jahren aus und er fand, es sei langsam an der Zeit, nach über 100 Bundeslehrgängen diese Verantwortung an die „jüngere Generation“ zu übergeben.
So startete der Samstagnachmittag um 15 Uhr sehr emotional mit der offiziellen Verabschiedung Alfreds als Bundestrainer. Er wurde für sein Engagement auf der Matte von Karl Köppel (Vizepräsident Technik) im Namen des DAB geehrt.
Vor dem eigentlichen Training wurde auf Bitten von Alfred dem Anfang Oktober verstorbenen Meister Michel Hamon aus Frankreich mit einer Schweigeminute gedacht. Die Familie Heymann war seit vielen Jahrzehnten eng mit seiner Familie verbunden. Aikido hatte eine starke Freundschaft hervorgebracht, die lange mit deutsch-französischen Treffen untermauert wurde.
Sichtlich bewegt wurde schließlich mit dem eigentlichen Training begonnen. Das Thema war das Holzmesser (Tanto). Mit unterschiedlichen mehr oder weniger schmerzhaften Hebeln, doch stets „zwingend“, wurde entwaffnet, was das Zeug hält.
Damit alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich pünktlich zu dem Sektempfang für die 50- Jahre-Feier fertig machen konnten, verzichtete Alfred sogar auf ein paar Minuten der kostbaren Trainingszeit.
Am Samstagabend, dem 29. Oktober 2022, kamen geladene Ehrengäste, Aikidoka des Bundeslehrganges und natürlich die Freunde der Aikido-Abteilung in unseren herrlichen Spiegelsaal der TGS Walldorf zusammen, um den Geburtstag der Aikido-Abteilung der TGS Walldorf zu feiern. Allein das Ambiente mit 200 Papier-Lampions im japanischen Kirschblütenstil sowie passender Blumen- und Kerzen-Dekoration ließ die Vorfreude noch größer werden als sie ohnehin schon war.
Danke an Alina Paumen für die großartige Dekoration, Organisation und die vielen investierten Stunden. Ein herzliches Dankeschön gilt auch dem Organisationsteam mit Jenni Härtig, Marianne und Peter Siffert und den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern sowie der engagierten Jugendgruppe.
Andreas Kreuzer, Abteilungsleiter Aikido und Finanzvorstand der TGS, eröffnete die Feier mit einer leidenschaftlichen Rede, in welcher er die Prinzipien des Aikido mit der Entwicklung einer Kirschblüte zur reifen Kirsche verglich. Der Dezernent für Sport und Kultur, Stadtrat Dr. Achim Sibeth, gratulierte anschließend der Abteilung und übergab Andreas Kreuzer einen Umschlag mit einem kleinen finanziellen Dankeschön im Namen der Stadt Mörfelden-Walldorf. Eine eigene Aikido-Sporthalle oder gar ein Budo-Zentrum hatte allerdings in dem Umschlag keinen Platz gefunden. Schade eigentlich.
Zahlreiche Gratulanten dankten Alfred und Edith Heymann für ihr Engagement, welches vor 50 Jahren mit der Gründung der Abteilung begann. Allen voran die Vizepräsidentin Sport der TGS Walldorf, Monika Stöltzing-Kemmerer, sie nutzte die Gelegenheit und übergab den Eheleuten Heymann die goldene TGS Walldorf-Anstecknadel für ihre 50-jährige Vereinszugehörigkeit.
Neben Karl Köppel, der im Namen des DAB Glückwünsche übermittelte und ein Präsent an den Abteilungsleiter übergab, ließ es sich Michael Erhart, Vorsitzender des AVH, nicht nehmen, die Erfolge der Aikido-Abteilung Walldorf zu betonen.
Jenni Härtig und Peter Siffert führten durch einen bunten Abend, der mit vielen Fotos und Anekdoten ausgeschmückt war. Sie wurden unterstützt von Alfred, seine Elefantengeschichte war ein wahrer Höhepunkt.
Am Sonntag begann mit einer Stunde Extra-Schlaf aufgrund der Zeitumstellung zur Winterzeit das Training um 9.45 Uhr mit dem Holzstab (Jo). Alfred ließ es sich nicht nehmen, mehr als die zum Nachmachen geforderten Techniken zu zeigen. „Schaut her, ich mache Euch das vor. Ist doch ganz einfach. Jetzt könnt Ihr das auch.“, rief er. Ganz so einfach war es nicht. Die Bewegung ließ für die meisten doch etwas „zum Basteln“ übrig. Der Bundestrainer erläuterte mit viel Geduld die richtigen Wege, Winkel und An“griff“spunkte beziehungsweise, dass es sinnvoll ist, nicht immer gleich zuzugreifen.
Mit einer spektakulären Ausführung im Stile eines aus dem Judo bekannten “Tomoe nage”, wo er selbst rückwärtsfallend den mit Stock bewaffneten Uke Alexander gekonnt durch die Halle wirbelte, unterstrich er nochmals eindrucksvoll, warum er 20 Jahre lang Bundestrainer war.
Chapeau!
Zum Ende des Trainings verabschiedete sich Alfred Heymann persönlich von jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer auf der Matte. Ein weiterer sehr emotionaler Moment.Bevor er den Lehrgang beendete, bedankte er sich bei seiner Ehefrau Edith für die immerwährende Unterstützung und bei den Ausrichtern.
Nach dem gemeinsamen Abräumen der Mattenfläche wurde von der SKV Mörfelden und der TGS Walldorf noch ein Imbiss gereicht, um zusammen den erfolgreichen Lehrgang ausklingen zu lassen und die Aikidoka gestärkt auf die Heimreise zu entlassen.
Ein toller Lehrgang! Wir freuen uns alle auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr. Auch Paul Froehly, ein langjähriger Begleiter von Alfred aus dem Elsass, war beim Lehrgang wieder dabei. Alfred schlug vor Paul als Maskottchen zu verwenden 😉
Text: Andreas Kreuzer
Bilder: Anke Meister/Pete Kramer