Zwei Tage eigentlich nur Varianten rund um den Ude-osae trainiert

Aus dem Titel möchte man meinen, dass der Lehrgang sehr langweilig gewesen sein könnte. Wer Meister Sell kennt, war sicherlich auch erst einmal überrascht, dass wir ganz klassisch mit einem lehrbuchhaften Ode-osae aus Ryote-tori begannen. Er betonte die wichtigen Elemente des Ma-ai, Sabaki, Einsatz von Tegatana, richtige Ablage und vieles mehr. Alles macht 100%ig didaktisch und historisch Sinn.

Dann berichtete er von seiner beuflichen Arbeit und fragte, welchen Eindruck es auf der Straße machen würde, im klassischen Kamae vor der Partner zu stehen, welche Person zufällig vorbeikommende Passanten als Angreifer und Verteidiger definieren würden. Außerdem gäbe man dem Anfreifer sofort Preis, dass man selbst eine Kampfsportart beherrsche. Also sollten wir die Hände beschwichtigend nach vorne ausstrecken, was aber meistens zu einem Angriff der Hände von unten führe. Hinzu kommt, das Angreifer in der Realität ihren Angriff meistens nicht schon km-weit vorher ankündigen, so dass große Ausweichbewegungen möglich sind. Gesagt – getan, der Angriff sah gleich anders aus, der Ude-osae ebenfalls, obwohl alle Elemente weiterhin vorhanden waren

Es zeigte sich, dass die gezeigte Form ganz viele Vorteile hat: Schnelligkeit in der Ausführung, Abwehrmöglichkeiten von weiteren Angriffen beider Hände, Ausweichmöglichkeiten auf andere Techniken, wenn der Partner nur geringfügig anders reagiert. So war der Ude-osae möglich, auf dem anderen Arm der Kote-mawashi, Juji-garami, Ude-kime-nage, Ude-kime-osae, Ude-garami, Kokyu-nage, Kaite-nage-uchi und vieles mehr.

Durch das enge Kamae und die klebenden Hände zeigte Meister Oliver Sell sehr gekonnt und auf humorvolle Weise, wie man schnell auf eine neue Bewegung oder einen neuen Angriff des Partners reagieren könnte. Trotz der gleichen Elemente wurden die gewohnten Bewegungsmuster unterbrochen. Sowohl als Verteidiger als auch als Angreifer musste man konzentriert kleine Bewegungen ausführen bzw. darauf reagieren. Das nennt man Verkettungen ab dem vierten Dan – auch wenn dieser Begriff nicht fiel. Am zweiten Tag wurde das Gelernte in ähnlicher Weise auf den oft ausgeführten Faustschlag von vorne umgesetzt.
Alle Teilnehmer waren sehr fasziniert von dem Gezeigten und trainierten eifrig. Am Ende der zwei Tage betonte Meister Sell aber erneut, wie wichtig die Tradition und die Grundformen zum Erlernen seien und jeder selbst für sich entscheiden müsse, ob er irgendwann lieber den Schwerpunkt bei der traditionellen bzw. didaktisch guten Ausführung setzen möchte oder ein wenig in die praktische Anwendbarkeit in der heutigen Zeit gehen will. Sowohl ihm als auch den Teilnehmern haben die beiden Tage viel Freude bereitet.

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